Herr Dr. Ludas, ich stelle Sie kurz vor. Sie sind seit fast 30 Jahren im urologischen Bereich im Raum Dortmund tätig. Nach Ihrer klinischen Zeit in der urologischen und chirurgischen Klinik in Witten und anschließend im Klinikum Dortmund arbeiten Sie seit 2001 selbstständig in Ihrer Dortmunder Praxis. Ihre Promotion zum Thema Prostatakarzinom haben Sie an der Universität Bochum absolviert.
Kann man Sie als Experte bezeichnen?
Diese Frage können nur Patienten beantworten, die ich behandelt habe. Da uns die meisten neuen Patienten durch Empfehlung von Stammpatienten erreichen, denke ich, dass meine Patienten zufrieden sind.
Was hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten 30 Jahren in der Urologie verändert?
Es hat sich definitiv viel verändert. Die urologischen Patienten profitieren heutzutage enorm durch die Entwicklung neuer operativer Techniken, insbesondere von minimalinvasiven endoskopischen und sogar roboterassistierten Operationen. Andererseits können wir unseren Krebspatienten aufgrund rapider Fortschritte in der medikamentösen Tumortherapie heute viel effektiver helfen als früher.
Ja, das sind die positiven Aspekte. Gibt es aber auch gewisse weniger zufriedenstellende Veränderungen?
Wenn Sie so direkt fragen, sage ich Ja. Meiner Meinung nach gibt es zu wenige ambulant tätige Urologen. Wenn man sich die aktuelle demographische Entwicklung in der Bundesrepublik anschaut, sieht man, dass wir immer mehr ältere Menschen haben, die einen Urologen suchen.
Problematisch ist auch eine falsch interpretierte Zweitmeinung bei einigen Patienten, was nicht selten zu einer Art von „Arzt-Tourismus“ führt. Ich habe schon Patienten konsultiert bzw. behandelt, die bereits vorher einige Urologen besucht haben und nach meiner Behandlung zu einem weiteren Urologen gegangen sind. Ich glaube, einige Patienten können nicht akzeptieren, dass die moderne Urologie auch „Grenzen“ hat, wo wir nicht kurativ helfen können.
Auch neu ist der Umgang mit Patienten, die bereits eine Diagnose selbständig durch „Doktor Google“ gestellt haben. Ich glaube, Ärzte investieren viel Zeit, um in solchen Fällen gegen die „Google- Diagnose“ zu argumentieren und gleichzeitig die Patienten von einer korrekten Diagnose zu überzeugen. Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass manche selbstgestellte Verdachtsdiagnosen aus dem Internet zutreffen.
Hat sich die Verteilung der urologischen Krankheitsbilder in den letzten verändert?
Große Veränderungen gibt es nicht. Jedoch verzeichnen die Urologen weniger Steinpatienten. Nach der Einführung der letzten Änderung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2017 behandeln wir weniger Patienten mit den Geschlechtskrankheiten. Dafür behandeln wir mehr und effektiver Tumorpatienten. Spannend ist weiterhin die Diskussion über die Rolle des PSA-Wertes bei der Prostatakrebsvorsorge. Ich habe mich intensiv mit dem PSA-Wert im Rahmen meiner Doktorarbeit in den 90-Jahren beschäftigt und glaube weiterhin, dass die PSA-Bestimmung nicht in die Jahre gegangen ist und weiterhin eine wichtige Rolle bei der Früherkennung des Prostatakarzinoms spielt. Kern der urologischen Krebsvorsorge ist aggressive (high risk) Prostatakarzinome vor allem bei jüngeren Männer auszufischen und rechtzeitig zu behandeln.
Und wie sieht die Zukunft der Urologie Ihrer Meinung nach aus?
Die fachärztliche Versorgung wird zentralisiert. Wir werden wahrscheinlich statt kleinen Praxen und Krankenhäuser große Polikliniken (MVZ) mit mehreren Urologen, integriert an großen Operationszentren, bekommen. Ich habe Angst, dass damit die persönliche Beratung und individuelle Behandlung der Patienten nachlassen wird.
Die Künstliche Intelligenz (KI) wird dem „Doktor Google“ ersetzen. Anderseits werden auch die Ärzte mehr Unterstützung von der KI in Anspruch nehmen. Hoffentlich wird die KI nicht aus der Kontrolle der Menschen geraten.
Das ist eher eine pessimistische Vision der Zukunft, oder?
Ich bin weder Pessimist noch Optimist, sondern Realist. So könnte die Zukunft der Medizin aus heutiger Sicht aussehen. Zum Glück wird die Zukunft nicht vom Zufall, sondern auch vom Menschen gestaltet. Ich glaube trotzdem, dass der Fortschritt in der Medizin das Leben der Menschen in Zukunft verlängern und die Lebensqualität verbessern wird.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im Gesundheitswesen, besonders in der ambulanten Urologie?
Im Jahr 1997 sind vom Gesetzgeber sogenannte Praxisbudgets und Medikamentenbudgets für gesetzlichen Krankenkassen eingeführt worden.
Praxisbudget bedeutet, dass ein bestimmter Wert an Untersuchungen gemittelt pro Patient von den Kassen erstattet wird. Darüberhinausgehende Untersuchungen werden nicht mehr honoriert. Medikamentenbudget bedeutet, dass nur ein bestimmter Wert an Arzneien und Heilmitteln gemittelt pro Patient von den Kassen bezahlt wird. Wenn das arztbezogene Kontingent überschritten wird, können die Krankenkassen vom Arzt verlangen, dass dieser den darüberhinausgehenden Anteil aus eigener Tasche zahlt.
Außerdem ist 1999 das sogenannte Vorschaltgesetz in Kraft getreten. Dies bedeutet, dass seitdem deutlich weniger Mittel für gesundheitliche Leistungen zur Verfügung stehen.
Zusätzlich wurden nach der Einführung der Gesundheitsreform vom Januar 2004 weitere medizinische Leistungen begrenzt und einige Medikamente z.B. pflanzliche Präparate aus der Erstattungsliste der Krankenkassen gestrichen.
Diese gesetzlichen Regelungen haben die urologische Versorgung weder verbessert noch optimiert. Problematisch ist eine schwache und kaum steigende Vergütung ärztlicher Leistungen in der Arztpraxis. Die niedergelassenen Urologen bekommen in Westfalen-Lippe durchschnittlich circa 50,- € pro Patient-Behandlung im Quartal. Selbst wenn der Kassenpatient die Praxis mehrfach pro Quartal besucht, bleibt es bei dieser Summe. Nicht viel besser ist die Lage in der privatärztlichen Abrechnung. Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) basiert auf den Preisen von 1996. Die Gebührenordnungen regulieren nicht die Krankenkassen, sondern das Gesundheitsministerium. Also nur durch eine Handlung der Politik, kann sich hier etwas ändern. Der aktuelle Ärzte- und Fachpersonalmangel lässt sich hauptsächlich durch eine gute finanzielle Entschädigung bekämpfen. Wir benötigen auch eine bessere Bezahlung, um in eine moderne apparative Ausstattung der Praxis investieren zu können.
In Ihrer Praxis überrascht, dass Sie Ihre Praxisräume UroLounge und ProktoLounge nennen. Was für ein Sinn hat das?
Wir wollen als Praxis modern und zeitgemäß auftreten. Dabei versuchen wir das Beste aus der Vergangenheit mit dem Besten aus der Gegenwart zu verbinden. Urologie bzw. Proktologie sind sehr intime Fachrichtungen. Patienten erwarten eine diskrete und individuelle Behandlung ohne Hektik.
Die Lounge-Atmosphäre der Praxis macht es möglich. Durch eine gute Terminkoordination sind wir tatsächlich in der Lage viele Patienten ohne vollem Wartezimmer zu behandeln.
Können sie das Vorurteil bestätigen, dass Urologen vorrangig eine Klientel älterer Herren mit Prostatabeschwerden betreuen?
Die Expertise der Urologen erstreckt sich weit über die spezielle Versorgung älterer männlicher Patienten mit Prostataproblemen hinaus. In meiner Praxis nehmen Frauen und Männer gleichermaßen die Dienste in Anspruch, um eine Vielzahl von Beschwerden des Harntrakts, wie beispielsweise Harnwegsinfekte, Steinerkrankungen, Tumore und Inkontinenz, zu behandeln. Darüber hinaus sind auch Kinder und Jugendliche nicht selten auf urologische Betreuung angewiesen, etwa bei Einnässen, Leistenhoden, Phimose oder anderen Penisanomalien. Deshalb setzt sich die Zusammensetzung der Patienten im Wartezimmer meiner Praxis aus einem etwa gleichen Anteil von Frauen und Kindern sowie Männern zusammen.
Was sind Urologen eigentlich für Leute? Sie sind die diskreten Ärzte, die sich um unsere ganz persönlichen Gesundheitsfragen kümmern.
Urologen sind als Menschen sehr heterogen und leben privat sehr unterschiedliche Leben. Beruflich sind sie in erster Linie gute Allgemeinmediziner und Chirurgen. Das ist die Voraussetzung für eine solide Urologie. Wichtig bei dem Beruf ist, dass der Urologe oder Urologin gut und offen mit den Patienten kommunizieren kann, um den Vertrauen der Patienten zu gewinnen.
Was würden Sie als Urologe allen Patienten empfehlen?
Die häufigste Erkrankung, die wir Urologen behandeln ist die Harnwegsinfektion. In den letzten Jahren wurde in den Publikationen und Medien eine „Selbsttherapie“ der Blasenentzündungen durch eine Trinkmengenerhöhung und Einnahme der Kräutermedikamente oder Ibuprofen propagiert. Leider bezeichnen wir dadurch eine Zunahme der komplizierten Infekten mit Erweiterung auf die Geschlechtsorgane, wie Prostatitis oder Epididymitis bei den Männern und Kolpitis bzw. Adnexitis bei den Frauen. Aufgrund dessen empfehle ich allen betroffenen Patienten einen Urologen Besuch, wenn keine Besserung nach 3-4 Tagen der „Selbsttherapie“ zu bezeichnet ist. Besonders gibt es Alarm, wenn Fieber und Schüttelfrost auftreten.
Anderseits ist eine jährliche Krebsvorsorge bei Männern ab 40 zu empfehlen, da die meisten urologischen Tumoren keine Frühsymptome zeigen. Die Krebsvorsorge ermöglich eine Früherkennung der Tumoren und damit besteht Absicht auf eine kurative Therapie.
Vielen Dank für das Interview!
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